Segeln in Zeiten des Klimawandels
Goldrausch, Erdölfunde, das Tankerunglück der Exxon-Valdez und nun die Klimaveränderungen: Alaska macht wieder von sich reden. Überall auf unserer Reise, wo wir mit Menschen in Berührung kamen, drehte sich das Gespräch sehr schnell um den Klimawandel, den die Bewohner Alaskas in den letzten Jahren verstärkt wahrnehmen, weil sie direkt betroffen sind: Innerhalb der letzten 30 Jahre haben sich die Temperaturen hier mehr als an irgendeinem anderen Ort der Erde erhöht – die Winter sind um ca. 4°C wärmer geworden. Die durchschnittliche globale Erwärmung in diesem Zeitraum beträgt dagegen nur etwa 0,5°C – mit entsprechenden Auswirkungen auf Landschaft und Tierwelt, und natürlich auf die Menschen, die vom Jagen und Fischen leben.
Die Bewohner Alaskas lebten an „vorderster Front“ des Klimawandels, so US-Präsident Barack Obama anlässlich seines derzeitigen Alaskabesuchs (Glacier-Konferenz in Anchorage vom 31. August bis 2. September 2015). Ihr Schicksal sei ein „Vorgeschmack dessen, was den Übrigen von uns passieren wird, wenn wir nicht handeln“.
Als Wind abhängige, weit gereiste Fahrtensegler waren unsere Erfahrungen entsprechend gefragt: „Viele von uns wissen, dass einer der Effekte stärkere und häufigere Stürme und Veränderungen der Windsysteme sind. Obwohl ich nicht an der Wahrheit dieser Information zweifle, ist es doch leicht, sie ohne persönliche Erfahrungen zu ignorieren„, schreibt im „Kodiak Daily Mirror“ eine Wissenschaftsjournalistin, die uns dazu interviewte. Tatsächlich haben wir in den letzten Jahren mit unserem Segelboot Freydis auf allen Meeren starke Wind- und Wetterveränderungen im Vergleich zu unseren Reisen in früheren Jahrzehnten angetroffen und ihr diese Erfahrungen auch gerne mitgeteilt. Wobei wir uns natürlich die Frage stellen, wie manche dieser Anomalien einzuordnen sind: Handelt es sich dabei lediglich um Standardabweichungen statistischer Mittelwerte oder tatsächlich um Auswirkungen des viel zitierten Klimawandels.
Abgesehen davon ist vielleicht auch das El-Niño Phänomen zu berücksichtigen – 2015 wird als ein Super-El-Niño Jahr eingestuft ???- das allein schon für weltweite Wetterkapriolen sorgen kann. Dass einige Forscher ein Zusammenspiel des El-Niño mit dem Klimawandel vermuten, kommt noch hinzu. Wer kann da noch durchblicken?
Eins ist sicher: Das Aufheizen der Meere beeinflusst Strömungen und Winde und befeuert die Superstürme. Kein Wunder also: 2014 war (laut NOAA website) ein überdurchschnittlich heißes Jahr (Taifune!), und 2015 soll es noch überbieten.
Und nun zu unseren Erfahrungen: Bei unserem Start in Deutschland lag das Islandtief nicht wie gewohnt bei Island, sondern 1000 Seemeilen weiter südlich. Mit konstanter Bosheit bescherte es uns im Juli und August 6 Wochen lang Südwest-Winde: Gegenwind in Nordsee, im Ärmelkanal, in der Biskaya und an der spanischen und portugiesischen Küste bis Lissabon.
Wenigstens in der Startphase konnten wir es vermeiden gegenan zu kreuzen, indem wir statt auf der Ems und zu den Westfr. Inseln bis Texel, auf der „stehenden Mastroute“ fuhren, also über die holländischen Kanäle und das Iisselmeer, Amsterdam bis Ijmuiden.
Vor unserer Atlantiküberquerung im August 2012 hatte sich der Hurrikan „Gordon“ im Gebiet von Madeira ausgebildet (siehe Wetterkarte). Ein Hurrikan in diesem Gebiet? Wir konnten es kaum glauben. Zum Glück erreichte „Gordon“ die portugiesische Küste nicht, aber er vermieste uns den Beginn unserer Reise zu den Kanaren. Statt die Wurzel des Nordost-Passats zu fassen, gab es nichts als Flauten und laue Winde mit hohem Maschinenanteil. Auch auf der Strecke Kap Verden – Karibik wurde es nicht besser, denn der Nordost-Passat, verlässlicher Schiebewind seit Jahrhunderten für Segelschiffe aller Art, war alles andere als konstant. Wohl auch durch den Einfluss von Wirbelsturm „Sandy“, der im November 2012 New York heimsuchte und von vielen Betrachtern als einer der stärksten Wirbelstürme seit Jahrzehnten bezeichnet. wurde.
30.10.2012: Hurrikan Sandy erreicht die US-Ostküste
Hurrikan Sandy, der vor ein paar Tagen mit voller Wucht über Kuba gezogen war, erreichte die Ostküste der USA. Der Hurrikan sorgte dabei für stellenweise chaotische Zustände, man geht davon aus, dass mindestens 76 Menschen an den Folgen des Sturms ums Leben kamen.
Vor allem New York und New Jersey wurden hart getroffen. Millionen Haushalte sollen ohne Strom sein, die meisten Flüge in der Region wurden abgesagt. Aus Sicherheitsgründen hat man etliche Atomreaktoren abgeschaltet.
Sandy zieht nach Angaben von Meteorologen weiter Richtung Kanada. Man muss dabei mit Überflutungen des Lake Michigan im Mittleren Westen der USA rechnen.
Das Ergebnis für uns: chaotisch wechselnde Winde, die ständig Segelmanöver erforderten und die Fahrt verzögerten. Mit fatalen Folgen für unsere Freunde … von der „Rainbow“. Diesel + Wasser wurden rar. 150 Liter Diesel füllten wir in Kanister und schafften sie bei Flaute zur Rainbow herüber. Da bei ihnen der Watermaker streikte, mussten sie rigoros sparen und liefen Barbados als Nothafen an, um Diesel und Wasser zu bunkern. Erst in Grenada kamen wir wieder zusammen.
Im Südpazifik segelten wir im Jahr darauf (2013) zur besten Jahreszeit, im Südwinter, die lange Strecke von den Galapagos zu den Marquesas. Sie gilt unter Experten als Inbegriff des gleichmäßigen und schönen Segelns im Südost-Passat. Für uns wurde sie alles andere als das: Ein Tief, das weit nach Süden reichte, hatte sich in der äquatorialen Tiefdruckrinne eingenistet und bescherte uns auf den 3000 Seemeilen heftige Regenschauer und Gewitterböen, die uns zu vielen Segel- und Reffmanövern zwangen. Erst als wir nach zwei Wochen einen Umweg nahmen, besserte sich die Lage. Schlechtwettertörn auch von Tonga über Fiji und Vanuatu nach Neukaledonien im Juli und August: Statt des erwarteten Südost-Passats mussten wir uns zwei Monate lang mit Flauten, Dauerregen, Frontdurchgängen mit Winddrehungen und meist vorlichen Winden abfinden.
2014 war das Jahr der Taifune! In 40 Jahren hatten wir es auf unseren Segelreisen über die Weltmeere geschafft, Wirbelstürme zu vermeiden. In diesem Jahr jedoch bekamen wir es gleich mit sechs von ihnen zu tun: Beim Start in Bundaberg/Australien Mitte Januar 2014 bedrohte uns „June“, ein südöstlich ziehender Zyklon (Kategorie1) über Neukaledonien – nicht ungewöhnlich für die Jahreszeit, denn wir waren noch auf der Südhalbkugel zur Hurrikanzeit (November bis April). Bewusst hatten wir die Reise nach Japan auf die Monate Januar bis Mai gelegt, um nach Überschreiten des Äquators die Taifunsaison im Nordostpazifik zu vermeiden und im Nordostpassat voranzukommen – eine Taktik, die wir mit „Wetterwelt“ abgestimmt hatten. So blieben wir im Schutz des Großen Barriere Riffs bis auf die Breite von Townsville und liefen dann auf kürzestem Weg zum Ansteuerungspunkt Samarai in PNG
Von Rabaul nach Guam war es trotzdem ein grauenhafter Törn (Zitate aus Logbuch von Mini). Denn in Mikronesien gerieten wir in den Einflussbereich eines Wirbelsturms, der sich gerade bildete, der aber schnell zum Taifun „Faxai“ wuchs. Hilfe kam über Satellitentelefon von unseren Wettergurus in Deutschland: Sie überwachten den Wirbelsturm und gaben uns Empfehlungen, wie wir seinem gefährlichen Sog am besten entkommen konnten. Doch der Taifun blieb stationär und ließ uns nicht passieren. Als Nothafen mussten wir deshalb Chuuk anlaufen.
Einfügen: Satellitenbilder von Faxai aus Vortrag
Mitte Mai 2014 erreichten wir Nagasaki/Japan. Aber auch dort hatten die bösen Überraschungen für uns kein Ende: Nicht weniger als vier Taifune tobten in den Monaten Juli bis Oktober über Nagasaki hinweg: im Juli 2014 Super-Taifun „Neoguri“ (Kategorie 5), Ende des Monats „Halong“ (Kategorie 2). Und als wir im Oktober an Bord waren, um Reparaturen durchzuführen, versetzte uns „Phanfone“ (Kategorie 4) in Angst und Schrecken. Zum Glück hatten wir vorsorglich 32 (!) Leinen und Ketten ausgebracht, um die Freydis in der Marina zu sichern. Das war auch gut so. Die Taifunsaison ging zwar zu Ende, und wir dachten schon, wir hätten alles hinter uns. Aber da meldete sich „Vongfong“ (Kategorie 5) an – der weltweit stärkste Taifun in diesem Jahr! Mit seinem Zentrum zog er eine Woche nach „Phanfone“ genau über Nagasaki hinweg. Weil er ablandig bließ, kam die Freydis ohne Schaden davon. Glück gehabt! Nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn der Taifun von der weniger geschützten Seeseite über uns herein gebrochen wäre.
Nach den Winterstürmen und vor der Taifunzeit setzten wir im April 2015 von Nagasaki aus unsere Reise nach Alaska fort. Aber bereits auf der Insel Tsushima, in der Straße von Korea, wehten wir ein. Denn der erste Taifun der Saison 2015, „Noul“ auch „Dodong“ genannt (Kategorie 3) trieb vom 2.-12. Mai sein Unwesen über Japan und hielt uns auf der Insel fest. Es sollte nicht der letzte sein, mit dem wir es zu tun bekamen. Denn die Ausläufer von Taifun „Halola“ (Kategorie 2) holten uns noch in den Aleuten ein. Es waren seine Hammerböen, die uns in der Möller Bay von Umnak vor der kleinen Siedlung Nikolski trafen, und die unseren Anker mit 80 Meter Kette zum Slippen brachten, sodass wir beinahe auf dem Riff landeten.
Abgesehen von Taifunen: Auf dem Weg zu den Aleuten spielte das Wetter verrückt: Statt der erwarteten Tiefdruckgebiete mit Westwinden und gelegentlichen Stürmen, hatte sich ein Hoch über der Beringsee festgesetzt, das die Tiefs weit nach Süden abdrängt. Es bescherte uns zwei Wochen lang nordöstliche Winde zwischen vier bis sieben Bft und mit 1200 Seemeilen die längste Kreuz unseres Seglerlebens.
Klima: Das Klima in Alaska verändert sich stark.
Die jährliche Durchschnittstemperatur in Alaska ist seit 1949 um ca. 2°C gestiegen. Innerhalb der letzten 30 Jahre haben sich die Temperaturen in Alaska mehr als an irgendeinem anderen Ort der Erde erhöht. Die Winter sind um ca. 4°C wärmer geworden. Die durchschnittliche globale Erwärmung in diesem Zeitraum beträgt nur etwa 0,5°C. Erschreckend! Dies hat natürlich enorme Auswirkungen auf die gesamte arktische Landschaft und die Tierwelt in Alaska sowie auf die Menschen, deren Existenzbedingungen sich grundlegend ändern.