Freunde,
beides ist richtig. Auf dem Papier sind wir jetzt 150 Jahre alt, fühlen uns aber erst wie hundert. Alter ist kein Verdienst, aber jung bleiben schon – insofern haben wir uns über die vielen Glückwünsche sehr gefreut.
Leider konnten wir sie nicht persönlich entgegennehmen, da wir drei Tage außer Haus waren: Mit unseren Freunden Thilo und Richard aus Leer haben wir beide in der Südpfalz und im Elsass alte Erinnerungen aufgefrischt, die zum Teil 47 Jahre zurückreichen, denn es war die Pfalz, in der wir jung verheiratet vier Jahre gelebt, geliebt und gearbeitet haben.
Kleine Exkursion in deutsch-französischer Geschichte: Thingstätte und Klosterruine auf dem Heiligenberg, Hambacher Schloss mit der ersten Fahne in Schwarz-Rot-Gold, die Reichsburg Trifels, Sitz der Staufer-Kaiser mit den Reichsinsignien des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation und dem Gefängnis von Richard Löwenherz, die mittelalterliche Felsenburg Fleckenstein in den Vogesen und nicht zuletzt einen Bunker der Maginot-Linie bei Lembach. Es ging einmal quer durch die deutsch-französische Geschichte und durch die Gastronomie… Konsequenz der Völlerei für uns: Die nächsten drei Tage sollte es nur Gemüsesuppe geben.
Zurück aus Frankreich wollten wir gerade mit der Suppe beginnen, da erhielten wir überraschend Besuch aus Dresden. Unsere Freunde Inge und Sigi waren heimlich anmarschiert mit der größten und leckersten Schwarzwälder Kirschtorte, die ich je gesehen habe (und das soll schon was heißen!). Also fiel es uns leicht, die mageren Tage um 48 Stunden zu verschieben.
Unsere weiteren (Lebens-)Aussichten sind nicht berauschend: Wir sind beide auf dem abschüssigen Ast – das, was Kaisern und Königen nicht gelungen ist, wird auch uns nicht gelingen. Aber zur Zeit erfreuen wir uns noch unseres Lebens. Wir haben es bei den unangenehmen und bedrohlichen Zukunftsaussichten mit Verleugnen und Verdrängen versucht, aber das klappt nicht richtig. Jetzt nehmen wir das Altern mit Humor, wie der Singvogel bei Wilhelm Busch, den Tod vor den Augen:
Es sitzt ein Vogel auf dem Leim,
Er flattert sehr und kann nicht heim.
Ein schwarzer Kater schleicht herzu,
Die Krallen scharf, die Augen gluh.
Am Baum hinauf und immer höher
Kommt er dem armen Vogel näher.
Der Vogel denkt: Weil das so ist
Und weil mich doch der Kater frisst,
So will ich keine Zeit verlieren,
Will noch ein wenig quinquilieren
Und lustig pfeifen wie zuvor.
Der Vogel, scheint mir, hat Humor.
Nochmals herzlichen Dank für die vielen Glückwünsche,
Heide + Erich