An unsere Freunde und Mitsegler,
vor 15 Jahren (2004) sind wir nach zwei Weltumsegelungen und der Generalüberholung unserer Freydis (II) in Leer zu unserer 7. Weltreise in den Nordpazifik aufgebrochen. Ihr wisst, was passiert ist: Nach 8 Jahren verloren wir 2011 unsere Yacht im Tsunami in Fukushima. Wir haben uns nicht entmutigen lassen und mit Unterstützung unserer Freunde ein neues Boot gebaut, die Freydis III, die von Heide am Steg des SVL getauft wurde – an Erichs 70. Geburtstag. Anschließend sind wir damit erneut nach Japan gesegelt und konnten so die ursprünglich mit der Freydis II geplante Reise nach Alaska und durch die Nordwestpassage nach Grönland doch noch verwirklichen.
Wenn wir einmal von dem Jahr der Taifune (2014) absehen, dann war 2019 für uns das sturmreichste Jahr seit wir 2002 die Südhalbkugel verlassen haben. Über die ersten Törns in diesem Jahr haben wir bereits kurz berichtet. Auf den Scillies hatte der Bruch eines Ankertaus und der anschließende Verlust von fünf !! Ankern beinahe zum Scheitern der Freydis geführt. In Erinnerung bleibt von diesen Reisen aber nicht nur das Gefährliche der Wetterkapriolen und die damit verbundenen beängstigenden Situationen für alle – und besonders auch für uns im Hinblick auf die Verantwortung für unser Boot und unsere Mitsegler. Denn es gab auch genug positive Erfahrungen, zum Beispiel waren unsere Crews großartige Mitstreiter. Und wir hatten auch wunderbare Stunden mit unseren Trans-Ocean Freunden Bert und Marlene Frisch, Yacht Heimkehr, die wir unterwegs gleich dreimal getroffen haben – auf den Färöern, St. Kilda und Oban. Und last not least: Die zufällige Begegnung mit unserem Bundespräsidenten und seiner Frau auf dem isländischen Vulkan Eldfell war ein ganz besonderes Highlight.
Wir kommen zum Schluss:
Der letzte Abschnitt in diesem Jahr begann so, wie der vorletzte endete – mit einem schweren Sturm. Wir lagen, wie schon so oft, mit der Freydis im kleinen Hafen von Lampaul auf der Ile d´Ouessant bei Brest. Ein Sturm zog auf, aber wir fühlten uns sicher: es war nicht der erste, den wir in diesem Mauseloch gut überstanden hatten. Aber der Bürgermeister war anderer Meinung: “Ihr müsst raus, ich will hier kein Wrack im Hafen!“
Also verholten wir beide die Freydis in die Baie du Stiff, eine offene Bucht auf der anderen Seite der Insel und legten uns vor 80 Meter Kette. Am nächsten Tag bekamen wir glücklicherweise Verstärkung durch die neue Crew. Als erster traf unser Freund Wolfgang Herpers ein – sein siebter Törn auf der neuen Freydis. Mit ihm brachten wir noch ein dickes Tau zu einer starken Mooringtonne aus. Nach einem Tag und einer Nacht hatten wir den Sturm heil überstanden.
Über St. Malo und Guernsey gelangten wir nach Alderney. Zeitweise liefen wir wegen des mitlaufenden Stroms nicht weniger als 12 bis 13 Knoten über Grund. In den Stromseen zwischen den Inseln Alderney und Buhou riss ein drei Meter hoher Brecher unseren nagelneuen Reserve-Außenborder plötzlich aus seiner Halterung am Heck und nahm das gute Teil auf Nimmerwiedersehen mit sich.
Auf der Kanalinsel Alderney erreichte uns der nächste Sturm. Wieder lagen wir gut vertäut mit mehreren Leinen an einer Mooring. Aber nach einer unruhigen Nacht war auch dieser Sturm glücklich überstanden.
Von Calais am Ausgang des Ärmelkanals bis zur Insel Texel war Starkwind bis Stürmischer Wind aus Südwest angesagt. Doch wir bekamen wieder einen eingeschenkt nach dem Motto: „Darf ´s auch etwas mehr sein?“ Mit drei Reffs im Großsegel und in der ausgebaumten Genua hatten wir eine sehr unruhige Fahrt über die Südwestliche Nordsee mit ihrem starken Schiffsverkehr, ihren Bohrinseln und ausgedehnten Windkraft-Feldern – ein Alptraum, vor allem nachts!
Ebenso wie die Vorgänger-Crew, ließ sich auch diese Crew die gute Laune nicht verderben, auch wenn es manchmal hart war und das Segeln einem sommerlichen Urlaubstörn kaum ähnelte.
Erst ab Texel bekamen wir mit, dass wir eigentlich Hochsommer in Mitteleuropa hatten: Kurze Hosen wurden rausgekramt und eine Runde Schwimmen um die Freydis erforderte keinen Todesmut mehr.
Für die Strapazen entlohnt wurden wir alle durch einen besonders schönen Abschluss am Westende der Insel Juist (an der Bill) mit ihren superweißen Dünen und Stränden. Mit der Freydis fielen wir genau dort trocken, wo vor sieben Jahren die Tester der YACHT bei viel Wind unser neues Schiff einem harten Elchtest ausgesetzt hatten. Diesmal genossen wir für ein paar Tage noch das letzte hochsommerliche Wetter der Saison. Anschließend traten unsere Mitsegler vergnügt mit dem Pferdewagen die Heimreise an (auf Juist gibt es keine Autos).
Der Rest ist schnell erzählt: In der letzten Augustwoche verbrachten wir ein paar herrliche Tage in Zweisamkeit an dieser für uns schönsten Ecke der Ostfriesischen Inseln. Dann verholten wir bei Springtide die Freydis nach Norderney aus einem ganz besonderen Anlass: Hier hatten wir beide uns vor genau 50 Jahren am Ostende kennen gelernt – beim Segeln, wie könnte es anders sein? Damals hatte Erich mit seiner Einmann-Jolle, einem Finn Dingy, sein Hauptquartier (Zelt) oben in der so genannten Rattendüne aufgeschlagen, Heide, frischgebackene Ärztin an der Norderneyer Klinik, kreuzte seinen Kurs. Was dann passierte, ist den meisten von Euch bekannt.
Ein unspektakuläres Finale einer 15 Jahre dauernden Weltreise mit vielen Höhepunkten und Tiefschlägen und 74 tsd Meilen im Kielwasser: Unsere Freunde Thilo und Richard, beide vor sieben Jahren maßgeblich am Bau der neuen Freydis beteiligt, waren gekommen, um mit uns beiden die Freydis von Norderney über Delfzijl in ihren Heimathafen Leer zu segeln.
Dort wollen wir sie im kommenden Winterhalbjahr gründlich überholen.
Und dann heißt es hoffentlich Mitte kommenden Jahres: Auf zu neuen Ufern!
Wir danken allen, die uns auf unseren vielen Reisen mit der Freydis begleitet haben.
Heidelberg, den 12. September
Heide & Erich