An unsere Freunde und Mitsegler,
bei unserem kurzen Aufenthalt in Cambridge Bay vom 6. bis 9. August des Jahres hatten wir das Glück, ein berühmtes Boot kennenzulernen, bzw. das, was von ihm übrig geblieben ist.
Mit der Maud wollte Roald Amundsen, nachdem er als erster mit seiner Crew von 1903 bis 1906 die legendäre Nordwest-Passage bezwungen und als erster 1911 den Südpol erreicht hatte, eine weitere Pionierleistung erbringen und mit ihr durch Eisdrift den Nordpol erreichen.
Vorbild für den Bau der Maud war Nansens Fram. Sie bestand jedoch aus drei Lagen von Eichenplanken, statt wie diese aus nur zwei und war deshalb noch wesentlich solider. Am 7. Juni 1917 lief sie in dem norwegischen Ort Vollen vom Stapel. Maud, die erste norwegische Königin nach der vollständigen Unabhängigkeit Norwegens im Jahre 1905, hatte dem damals bereits berühmten Amundsen erlaubt, das Schiff nach ihr zu benennen.
Drei Jahre – von 1918 bis 1921 – war Amundsen mit der Maud unterwegs. Er durchquerte als zweiter die Nordost-Passage, nach dem Schweden Nordenskjöld mit der Vega. Sein eigentliches Ziel aber, den Nordpol, verfehlte er und erlitt dabei schon im ersten Jahr herbe persönliche Rückschläge: Splitterbruch der Schulter nach einem Sturz, tiefe Wunden im Rücken nach einer Eisbären-Attacke und eine schwere Kohlenmonoxid-Vergiftung an Bord. Nach der Reise verlor er das Interesse an der Maud. Dazu war er hoch verschuldet. Die Hudson Bay Company kaufte die Maud 1925 und setzte sie als Versorger in der westlichen Arktis ein. Anschließend wurde sie in Cambridge Bay still gelegt und diente dort vor Anker noch als Handelshaus und drahtlose Radiostation. Bereits ein Jahr später – es waren die Jahre wirtschaftlicher Rezession und niemand kümmerte sich um das Schiff – war sie undicht geworden und man ließ sie sinken.
60 Jahre später besahen sich norwegische Taucher das Wrack der Maud. Daraufhin entschloss sich der Unternehmer Tandberg, es heben zu lassen. Anlässlich des 100. Jahrestages der Maud sollte ihr Wrack in die Heimat zurück gebracht werden und dort als Museumsschiff dienen, wie die Fram, die Kon-Tiki und andere berühmte Schiffe. Ein privates Projekt, für das er ein vierköpfiges Team von idealistisch gesinnten Experten anheuerte und einen Hochsee-Schlepper kaufte. Zu ihnen gehörte auch Stig Pettersen, der blonde 45 jährige Norweger, mit dem wir uns in Cambridge unterhielten. Eigentlich ist Stig von Beruf Bauingenieur, hält aber nun den eigens zu diesem Zweck erworbenen eisgängigen Schlepper Tandberg Polar am Laufen.
Als wir in Cambridge Bay an der Pier liegen, ist die Maud bereits gehoben und wartet in Sichtweite auf einem Schwimmponton. „Wir gehen mit ihr erst Ende August durchs Eis“, meint Stig und ist sich recht sicher, dass die Überführung auch klappt. Um das Wrack zu heben, war er 2014 zusammen mit Nansens Enkel auf entgegengesetztem Weg mit dem Schlepper nach Cambridge gekommen.
Anfang September schafft die Tandberg Polar mit der Maud im Schlepp im Larson Sund tatsächlich den Durchbruch durchs Eis. Im Kielwasser des Schleppzuges folgen zwei Yachten, die bisher vom Packeis festgehalten wurden, die Abel Tasman aus Australien und die Irene aus den USA.
Ende September liegen wir dann vereint in Aasiaat/Disko Bay. Die Tandberg Polar will mit ihrer wertvollen Fracht ebenfalls in Aasiaat überwintern. Stig hat ein Haus am Wasser gemietet und passt auf die Schiffe auf. Uns hat er versprochen, ebenfalls von Zeit zu Zeit ein Auge auf die Freydis zu werfen.