Episode 4: Peter und Paul – Ankern auf der Spitze eines Vulkans

Dienstag, 22.12.2015 :: La Palma

„Und eine Insel ist ja nichts weiter als der Gipfel eines Berges“

(Joseph Conrad)

Noch immer keine Delphine und Wale zu sehen. Seit den Kapverden halte ich vergeblich Ausschau. Das Meer leer, eine Wasserwüste ohne Leben, so scheint es. Erich hat den Riss im defekten Auspuffsystem endlich gefunden und versucht ihn abzudichten.

Den Qualm im Schiffsinneren haben wir gründlich satt. Überhaupt diese verflixten Mallungen, das ewige, eintönige Motoren. Was ist schon ein Segelschiff ohne Wind? – Weder Fisch noch Fleisch!

Nach fünf Tagen Grau in Grau, Dauerregen, dampfender Waschküche und übelkeitserregendem Seegang endlich ein Zipfelchen des ersehnten Passats! Wie zwei Lungenflügel, die tief durchatmen, blähen sich die Schmetterlingssegel befreit im Wind und die Freydis nimmt Fahrt auf. „Zu Peter und Paul“ ruft Erich so fröhlich, als wären das unsere liebsten Freunde und nicht nur karge Felsen im Atlantik, die wir da ansteuern. Mit dem Wind kommt auch die gute Laune und der durch die Seekrankheit gebremste Appetit zurück. Ruhig und wie geschmiert gleitet unser Schiff über die Wellen. Während Erich die Segel trimmt, haue ich blasse Kapverdeneier in die Pfanne, säble ein Stück vom kanarischen Ziegenkäse ab und fische ein paar Gurken aus dem Glas. „Die Sauregurkenzeit der Mallungen scheint nun endgültig vorbei“ tönt Erich ausgelassen durchs Schiff und es klingt, als verkünde ein Muezzin das Ende der Fastenzeit.

Aber schon in der Nacht läßt unser Schmetterling seine Flügel wieder hängen, der Wind schläft wieder ein. Wolkenwalzen und Regen rollen über uns hinweg. Einige Wolkenfetzen scheinen ins Meer zu fallen. Ein riesiger Heckfänger hält uns in Atem, immer wieder fährt er auf Kollisionskurs, dreht erst kurz davor ab und geht hinter unserem Heck durch.

„Das sind die Kerle, die die Meere leerfischen“ ärgere ich mich, „die fahren so lange rum, bis sie volle Ladung haben, gnadenlos, denen entkommt kein Fisch!“ Erich ist schwer am rödeln, während ich die Signalpistole bereit lege, für den Fall, daß er sich noch einmal so gefahrbringend nähert. Offensichtlich haben wir aber nun „sein“ Revier verlassen und er zeigt Einsicht (falls man das so nennen will).

Während meiner Nachtwache kriechen schwarze spinnenartige Wolkenungeheuer über den Himmel und fressen den Mond auf – gespenstisch! Plötzlich schießt etwas Dunkles übers Deckshaus direkt auf mich zu. Bevor ich mich in Sicherheit bringen kann, bekomme ich einen so derben Schlag gegen die Stirn, daß mir für kurze Zeit Sehen und Hören vergeht. Der Kamikazeflieger, ein Prachtexemplar von Fliegendem Fisch, hat den Zusammenstoß nicht überlebt. Am Morgen wandert er in die Pfanne und ich laufe mit einem dicken Horn auf der Stirn herum.

Gleichzeitig mit dem Skipper erwacht auch der Passatwind – die zwei wissen, was sich gehört! Am Himmel nun die typischen Passatwolken, von unten sehen sie aus wie auf einem Glastablett servierte Sahnehäufchen. Unser GPS zeigt noch 150 Meilen bis zum Ziel an. Wir können es kaum noch erwarten. Vor zehn Jahren, auf unserer ersten Reise mit der Freydis nach Südamerika, waren wir an Peter und Paul vorbeigesegelt. Damals hielten wir uns streng an die Empfehlungen des „Ocean Passages of the World“, diesen Segelanweisungen aus der Zeit der Rahsegler, nach denen man auch heute noch Kurse absteckt und in denen so unwirtliche Inseln wie diese natürlich gemieden werden. Aber diesmal wollen wir das entlegene Eiland, das sich als Gipfel eines gigantischen untermeerischen Gebirges – des mittelatlantischen Rückens – über den Meeresspiegel erhebt, auf jeden Fall besuchen, fiebern ihm geradezu entgegen. Ich frage mich, was uns eigentlich an diesen paar lächerlichen Vulkanfelsen im Meer fasziniert? Nur das bekannt Entdeckungsfieber? Die Freude und Genugtuung, aus eigener Kraft etwas Ersehntes zu erreichen? Etwas, was einem bisher verborgen und unbekannt war, zu Gesicht zu bekommen? Die Einmaligkeit des Ortes? Eines Ortes, an dem es aber doch nur Steine, Vögel, Spinnen und Krebse gibt, heute nicht anders als zu Darwins Zeiten, der auf seiner Reise um die Welt in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts schon so darüber berichtet:

„Bei der Fahrt über den Atlantischen Ozean legten wir am Morgen dicht bei der Insel St. Peter und Paul bei. Diese Gruppe von Felsen ist 540 Meilen von der Küste von Amerika und 350 von der Insel Fernando de Noronha entfernt. Der höchste Punkt liegt nur fünfzig Fuß über dem Meeresspiegel, und der ganze Umfang ist nicht ganz eine Dreiviertelmeile. Dieser kleine Punkt steigt ganz plötzlich aus den Tiefen des Ozeans heraus.Die Felsen erscheinen aus der Entfernung von glänzend weißer Färbung. Dies kommt zum Teil von den Exkrementen einer ungeheuren Menge von Seevögeln her, zum Teil von einem Überzug einer harten glänzenden perlmuttartigen Substanz, welche fest mit der Oberfläche der Felsen verbunden ist.

Wir fanden auf der Insel nur zwei Vogelarten – den Tölpel und die Seeschwalbe. Beide sind zahm und so wenig daran gewöhnt, Besucher zu sehen, daß ich eine beliebige Zahl mit einem geologischen Hammer hätte töten können. Es amüsierte mich, zu beobachten, mit welcher Geschwindigkeit eine große behende Krabbe, welche die Felsspalten bewohnt, den Fisch von der Seite eines Nestes wegstahl… Nicht eine Pflanze, nicht einmal eine Flechte wächst auf dieser Insel, und doch wird sie von mehreren Insekten und Spinnen bewohnt.”

Nur noch dreißig Meilen. Erich schaut immer wieder nervös aufs Radar „diese zwanzig Meter hohen Felsen im Ozean, das ist wie eine Stecknadel im Heuhaufen suchen.“ Als ich etwas später auf dem Vordeck Ausschau halte, entdecke ich zwei kleine weiße Spitzen genau voraus. „Ich sehe was, was Du nicht siehst juble ich übermütig. Erich sieht’s jetzt auch, nimmt das Glas zu Hilfe. „Ein Dampfer mit weißen Aufbauten“, behauptet er grinsend. „Ja, richtig“, freue ich mich, nun selbst durchs Fernglas schauend, „ich kann sogar seinen Namen erkennen, da steht Peter und Paul“.

Wir nähern uns einem nach Nordwesten offenen, hufeisenförmigen Kranz aus Lavafelsen, deren guanobedeckte Spitzen leuchtend weiß aus dem dunkelblauen Meer ragen. Eine unglaubliche Erscheinung, die Erich zum Seemannsgarn-Spinnen anregt: „Da kann mich keiner von abhalten, mit den Skiern auf dem Buckel die Gipfel (20 Meter!) zu stürmen und dann im Schuß die Guanopisten runterzurasen”, lacht er unternehmungslustig. Aber erst einmal vollführen wir Bärentänze auf dem brennend heißen Vordeck, als wir die Segel bergen. Bevor wir ankern, wollen wir uns diesen seltsamen Ort, der eher einem überdimensionalen, karieszerfressenen Gebiss ähnelt denn einer Insel, in Ruhe ganz aus der Nähe anschauen. Aber Ruhe suchen wir dort vergebens. Vor der Insel steht ein so gewaltiger Strom, eine so hohe Brandung, daß wir große Mühe haben, nicht abgetrieben zu werden. Kein Wunder, diese Insel „ist ja nichts weiter als der Gipfel eines Berges”, noch dazu eines so steil abfallenden, daß er die Strömung des Südost-Passates aufstaut und ablenkt.

Draußen vor der Insel ankern und dann mit dem Dingi anlanden ist wegen des Stromes nicht möglich. Der Einlaß in die Bucht ist aber nur etwa so breit wie eine Schiffslänge. Wie da bloß bei dieser bewegten See hineinkommen? Außerdem scheint man drinnen auch nicht gerade sicher zu liegen, ganz im Gegenteil. Also bestimmt kein Plätzchen für eine geruhsame Nacht.

Sollen wir aufgeben? Den Landgang einfach streichen? Kommt nicht in Frage, zu sehr und zu lange haben wir uns auf diese widerspenstig-unwirtliche Insel gefreut (seltsam sind sie schon, unsere Gelüste). Wir wollen wenigstens versuchen, für ein paar Stunden an Land zu gehen und Aufnahmen von den zahllosen, überall auf den Felsvorsprüngen sitzenden Vögeln zu machen, die uns jetzt neugierig beobachten. Wir entscheiden uns mit voller Motorkraft durch das Nadelöhr zu preschen. Ein riskanter Balanceakt, ein Gefühl wie es ein Seiltänzer haben muß: einen Schritt daneben, und… – Aber es glückt.

Die Minibucht bietet nur einen sehr unvollkommenen Schutz gegen die brandende Windsee. Sie ist gerade so groß, daß sich die Freydis darin drehen kann. Wie in einem schaukelnden Kessel schwappt das Wasser in dem Büchtlein hin und her, kreuz und quer und über den Rand. In unregelmäßigen Abständen stürzen Wasserkaskaden durch die mehr oder weniger breiten Lücken des zerfressenen Gebisses. Ein äußerst unruhiger Ort mit einem Schwell, der die Freydis zwei Meter hoch katapultiert, wieder absenkt und dabei mal nach rechts, mal nach links gegen blinde Klippen treibt. Wir ankern in Luv, können aber kaum Kette stecken, alles viel zu winzig. Der Anker bricht deshalb immer wieder aus. Erich, der ihn jedesmal wieder über Hand hochholen und neu ausbringen muß – die Handankerwinsch ist defekt – hat eine Heidenarbeit. Für mich am Steuer bedeutet das Jonglieren zwischen Scilla und Charybdis eine üble Angstpartie. Immer wieder versetzen uns die, in ihrer Stärke und Richtung unberechenbaren Wasserkräfte bedrohlich nahe an die Felsen heran.

Zweimal kann ich eine Grundberührung nicht verhindern, glücklicherweise nur mit dem Drehkiel. Um einigermaßen sicher zu liegen, müßten wir Leinen ausbringen, die wir an den Felsen vertäuen. Aber dazu bräuchte man mehr als nur vier Hände, nur zu zweit geht da gar nichts. Zu all unseren Mühen lacht sich die Äquatorsonne eins und verbrennt dabei unbarmherzig unsere schweißnasse Haut. Auch das Gebiss scheint hämisch zu grinsen, als wir schließlich, schweren Herzens aufgeben und Kurs nehmen auf Fernando de Noronha. Was für eine Enttäuschung! Während ich ganz froh bin, diesem Gierschlund so schadlos entkommen zu sein, ist Erich erschöpft und fühlt sich niedergeschlagen, um den ersehnten und verdienten Landgang geprellt. Erst als die Felsen achtern im Dunst verschwinden, wird er wieder ansprechbar. Da wird aus dem Verschwinden ein Verzeihen und Vergessen.

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Episode 3: Die Wilden Inseln

Mittwoch, 16.12.2015, La Palma

An unsere Freunde und Mitsegler,

in loser Folge erzählen wir Episoden und zeigen Bilder aus dieser Zeit, die wir zum Teil noch nicht veröffentlicht haben.

Das Jahr 1990

Die Islas Selvagens („Wilden Inseln“) liegen zwischen Madeira und den Kanaren. Sie sind unbewohnt und Naturreservate. Wir gingen dort an der „ Kleinen Wilden Insel“ vor Anker. Die atemberaubende Kulisse animierte uns zu einigen Aufnahmen. Der Skipper mit Kamera im Dingi, die Crew segelte am Ufer entlang und zwischen den Klippen hindurch.

Manfred warnt rechtzeitig vor Untiefen

Das Jahr 2012

22 Jahre danach – legen wir erneut einen Zwischenstop auf der „Kleinen Wilden Insel“ ein. Was ist aus dem imposanten Wrack geworden, an dem wir vorbeigesegelt sind?

Nur noch ein paar Reste sind übrig geblieben.

Mit besten Grüßen
Heide+Erich

Der Link zu Heides E-Books

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Episode 2: Wir brauchen Utopien

La Palma, den 16. Dezember 2015

An unsere Freunde und Mitsegler

Wie schon so oft im Dezember, haben wir uns dem Schmuddelwetter und der vorweihnachtlichen Hektik in Deutschland durch einen Wanderurlaub auf der Insel La Palma entzogen.

Wie diese Insel unsere Lieblingsferieninsel wurde?

1990, also vor genau 25 Jahren segelten Heide und ich auf unserer zweiten Reise nach Südamerika und in die Antarktis von Gran Canaria nach La Palma, um die zwei Weltumsegler Elga und Ernst Jürgen Koch persönlich kennen zu lernen. Aus ihren Büchern kannten wir sie schon lange. Sie waren das erste deutsche Paar, das mit einem Segelboot, dem knapp zehn Meter langem Kielschwerter „Kairos“, Mitte der 60er um die Erde gesegelt war. Hier auf ihrer „Ziegeninsel“ hatten sie sich nach der Segelei nieder gelassen. Die Kochs zeigten uns damals ihre Insel, in die auch wir uns verliebten.

Viele Jahre schrieben wir uns. Wir blieben in Kontakt mit den Kochs bis zu ihrem Tod. Später, als wir wieder auf der Nordhalbkugel segelten, verbrachten wir oft unsere Urlaube im Spätherbst auf La Palma und vergassen dabei nie, Elga in ihrem Refugium zu besuchen.

Heide hat damals über unsere Begegnung mit den Kochs geschrieben. Dieser Bericht blieb, wie so viele Berichte von dieser Reise über Nord- und Südatlantik entlang der brasilianischen Küste, liegen. Sie wurden überlagert durch die dramatischen Ereignisse, die kurz darauf folgten – der Brand in Mar del Plata, die stürmischen Reisen ums Kap Hoorn und die Überwinterung und Strandung im Kratersee von Deception/Antarktis.

Hier also Heides Bericht:

Zu Besuch bei den ersten deutschen Weltumseglern

Die Kanaren

La Palma und ein Treffen mit den ersten deutschen Weltumseglern

Um vier Uhr früh, für einen Landaufenthalt eine echt unchristliche Zeit, stehen wir auf. Stockdunkel ist es noch, als wir im Cockpit der Freydis unseren Insel-Abschiedskaffee schlürfen. Erst als wir aus dem Yachthafen von Pasito Blanco im Süden Gran Canarias laufen, fängt’s an zu dämmern. Schon bald danach habe ich wieder mal das altbekannte mulmige Gefühl in der Magengegend. Was habe ich eigentlich noch nicht versucht, um dieser vermaledeiten Seekrankheit Herr zu werden? Vom Amulett gegen böse Geister bis zur Perle am Handgelenk… einfach alles, aber ohne Medikamente packt’s mich zu Beginn fast jedesmal. Zwischen den Inseln wühlt der Wind eine ruppige überbrechende See auf. Eine schöne Einstimmung! Erschwerend kommt noch hinzu, daß die ersten Tage auf See nach längerem Landaufenthalt für uns ohnehin meist recht anstrengend sind. An die dauernde Schaukelei, den Wind, den Wach-Rhythmus müssen wir uns immer erst wieder gewöhnen, obwohl es uns doch eigentlich schon in Fleisch und Blut liegen müsste. Nichts dergleichen ist der Fall, immer dieselben Qualen.

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Episode 1: Fünf vor Zwölf

La Palma, den 15. Dezember 2015

An unsere Freunde und Mitsegler

Das kommt davon, wenn man immer nur nach vorn schaut: Dann merkt man erst zwei Wochen vor Ablauf des Jahres, dass es doch Grund zum Feiern gibt: 2015 ist für uns ein Jubiläumsjahr – vor 25 Jahren, änderten wir unser Leben. Nach 27 Berufsjahren war der 30. April 1990 der letzte Arbeitstag in unseren bürgerlichen Berufen. Ab 1. Mai war es vorbei mit festem Einkommen und Arbeitgeberanteilen zur Altersvorsorge und Krankenversicherung. Da uns die Barmer nicht weiter versichern wollte und eine Private Krankenversicherung für uns beide zu teuer war, verzichteten wir in den folgenden 15 Jahre darauf, uns gegen Krankheiten und Unfälle zu versichern. Heide schrieb damals: „Wir fühlen uns frei wie Vögel, sind andererseits aber auch vogelfrei.“ Zum Glück blieben wir gesund. Ganz andere Dinge geschahen, mit denen wir überhaupt nicht gerechnet hatten. „Risiko“ ist halt etwas sehr Abstraktes.

Bereits 12 Tage nach unserem Ausstieg starten wir von Leer/Ostfriesland, segeln über den Atlantik und an der Ostküste Südamerikas entlang Richtung Feuerland und Kap Hoorn. Von dort soll´s über die Drake-Passage zur Antarktischen Halbinsel und zur Vulkaninsel Deception gehen, auf der wir bei unserem ersten Antarktisbesuch neun Jahre zuvor so eindrucksvolle und glückliche Tage verbracht hatten.

Aber diesmal ist uns nicht „das Glück der Ahnungslosen hold“, wie Heide in ihrem Buch über die erste Antarktisreise geschrieben hatte: Den ersten Knockdown erleben wir im argentinischen Mar del Plata, als durch einen Kurzschluss im Maschinenraum ein Brand ausbricht. Das Feuer, gespeist aus dem vollen Diesel-Tagestank, verwüstet nicht nur den Maschinenraum, sondern auch Achterkammer, Navigation und Messe – die Hitze ist so brutal, dass sogar die am Ende des Großbaums aufgeschossene und hochgebundene Großschot schmilzt. Ein Wunder, dass die Freydis den Brand übersteht und nicht versenkt wurde.

Und dann ein paar Monate später: Strandung im Orkan im Kratersee von Deception, die Freydis schlägt leck und läuft voll Seewasser und Gletschereis…

Aber zurück zum Jubiläum. 1990 standen wir am Scheideweg: Das alte Leben fortsetzen oder ein neues Kapitel aufschlagen? Was kam, wurde nicht einfacher, aber befriedigender, damals wie heute. Unsere Weichenstellung vor 25 Jahren haben wir nie bereut – nicht einmal in den Situationen, in denen ein positiver Ausgang sehr zweifelhaft schien.

Für uns gibt es deshalb guten Grund zu feiern!

Dazu der Weihnachtsbaum, der von unseren Mitseglern Inge und Sigi aus Dresden geschmückt wurde:

Herzliche Weihnachtsgrüße
Heide und Erich

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Ein Zweiteiler aus Wiesbaden

Sonntag, 06.12.2015, 17:14:59 :: La Palma

Die am 6.10.2015 angekündigten Vorträge haben wir mittlerweile alle gehalten, den in Wiesbaden am 27.11.2015. Er hat ein »zweigeteiltes Echo« gefunden, das wir Euch nicht vorenthalten möchten:

Wiesbadener Kurier, 13.11.2015


Wiesbadener Kurier, 1.12.2015

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„STARKE GESCHICHTEN“

Hallo Freunde,

so titelt die „Yacht“ in ihrer neuen Ausgabe 25/26. Sie ist ab Mittwoch, 2. Dezember 2015 erhältlich. Zwanzig bekannte Segler wurden gebeten, über ihren „TÖRN DES LEBENS“ zu schreiben, darunter auch Heide. Weder hier noch per Mail können wir den Text von Heide derzeit bringen, da die Yacht selbstverständlich Vorlauf hat.

Uwe Janßen, Initiator dieses Projektes, schreibt uns dazu:

20 Prominente äußern sich in teilweise wirklich tollen, vielfach überraschenden und offenen Stücken, darunter, neben Euch:

Boris Aljinovic, Tatort-Kommissar
Wilfried Erdmann
Meeno Schrader
Sir Ben Ainslie
Bobby Schenk
Philipp Buhl
Simon Licht
Ulrike Schümann
Burghard Pieske
Markus Wieser
Clemens Richter
Boris Herrmann
Thies Matzen
Jörg Riechers
Tim Kröger
Michael Schmidt
Jochen Schümann.

Du siehst, Ihr seid in allerbester Gesellschaft!

Viele Grüße, Uwe

Interessant zu lesen, welche Erlebnisse eine Reise zum „Törn des Lebens“ machen können.

Habt Ihr es bemerkt? Die Yacht auf der Titelseite ist unsere alte Freydis. Sie hat es nach dem Desaster in der Antarktis (1992) noch 20 Jahre gemacht.

Herzliche Grüsse,
Heide & Erich

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Heide Wilts digital – Band 2: Wo Berge segeln

Titel: Wo Berge segelnSeit unserer ersten Segelreise rund Südamerika und in die Antarktis 1981/82 (darüber berichtet mein erstes Buch Weit im Norden liegt Kap Hoorn), sind drei Jahre vergangen. Wir waren beide wieder voll im Beruf, und an unsere Urlaube gebunden, was das Segeln angeht: 1983 rund England; 1984 rund Biskaya; 1985 rund Großbritannien.

Doch wir träumen davon, mit einem Langzeittörn anzuknüpfen an diese erste Antarktisreise, die uns so einzigartige Erlebnisse beschert hatte. Und dann kam die große Chance. Dabei trafen zwei Dinge zusammen: Erich und ich wechselten von Leer nach Düsseldorf, Erich vom Familienbetrieb an die Spitze eines in Europa führenden Einkaufs- und Marketing-Verbundes, ich von einer Klinik in Norddeutschland in eine Praxis für Radiologie. Und dazu verkündete unseres „First Mate“ Folkmar unverhofft, dass er Anfang 1986 sein Studium beendet und zu einem größeren Unternehmen zur Verfügung steht.

Erich kann 10 Wochen Urlaub aushandeln unter der Voraussetzung, dass er ihn für eine Woche unterbricht, nach Düsseldorf zurück fliegt und seinen Schreibtisch aufräumt. Und weil ich ebenfalls frei bekomme, kann der Plan langsam Gestalt annehmen:

Der Traum wird Wirklichkeit

Unter Spinnaker vor der Küste Südgrönlands

Riskante Eisbergbesteigung unserer mitsegelnden Alpinisten im Prins-Christian-Sund, Südgrönland
Folkmar bringt die Freydis mit wechselnden Crews nach St. Johns/Neufundland. Von dort segeln wir gemeinsam nach SW-Grönland, Island, Ostgrönland, Jan Mayen und Spitzbergen. In Island unterbricht Erich die Reise eine Woche, während Folkmar die Freydis von Reykjavik nach Husavik überführt, und ich eine Woche mit einer Bekannten diese größte Vulkaninsel der Erde bereise.

Band 2 Wo Berge Segeln – weiterlesen

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Eine Seefahrt, die ist lustig…

Mittwoch, 04.11.2015, Leer

Ob man in Berlin segeln kann? Man kann!

Hallo Freunde,

im Yachtclub Stössensee in Spandau klärte man mich auf: „Zwischen Elbe und Ostsee liegt Europas größtes Binnenrevier für Wassersportler und Wassertouristen mit über 5000 Seen und 3600 Kilometer durchgehende schiffbare Gewässer und Berlin im Zentrum – keine andere Stadt in Europa kann man so direkt und hautnah mit dem Schiff bereisen….“

Während Heide nach Ihrer OP noch das Bett hüten musste, luden mich unsere Freunde Lore und Peter Vörsmann zu einer Segelpartie auf ihrer „Luise“ ein, einem Plattbodenschiff, das sie renoviert hatten und auch als Berliner „Stadtwohnung“ nutzen. Zuerst ging es von Spandau unter Maschine zu einem der benachbarten Clubs. Dort wurde gerade das Ende der Segelsaison gefeiert. Dann folgten einige unbeschwerte Stunden unter Segeln auf der Havel. Leider hatte ich keinen Fotoapparat dabei, aber unsere Freunde konnten mit Bildern aushelfen, zum Teil aus ihrem Archiv.

Bild 1: Yachtclub Stössensee

Bild 2: Die „Luise“ am Steg

Bild 3: Start unter der Brücke

Bild 4: Peter Vörsmann + Erich

Bild 5: Erich an der Pinne

Bild 6: „Luise“ unter Segeln

Bild 7: Auf der Havel mit gelegtem Mast

Bild 11: „Luise“ wird getauft
Die Vörsmanns kennt man eher als See-Segler. Mit ihrer „Orion“ segeln sie seit Jahren an der norwegischen Küste bis hoch nach Spitzbergen und Lore ist begehrte Mitseglerin auf Extremtörns (siehe YACHT 3/12 Porträt: „Ein Leben als Vagabundin zur See“ und YACHT 05/2015 „Kojencharter – Erfahrungsberichte“)

Bild 20: Die „Orion“ in Spitzbergen
Ob sie jetzt reine Binnensegler geworden sind? Keine Spur! Im nächsten Jahr geht es mit der „Orion“ wieder in den Norden, außerdem hat Lore, die schon seit 20 Jahren auf der Freydis immer wieder als Mitseglerin anheuert (zuletzt in Japan und Alaska), ihre Teilnahme für den ersten Freydis-Törn im Golf von Alaska in 2016  bereits zugesagt.

War das alles? Mitnichten!

Gerade hat Lore einen Opti für die Enkel gebaut.

Bild 22: Bau und Endlackierung des Opti.

Für uns ganz klar: Die Vörsmanns sind unter die Reeder gekommen

Das Reederpaar Lore + Peter Vörsmann (im Hintergrund die alte „Freydis“)

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Auf der Blauwasser-Barfussroute

Sonntag, 25.10.2015, Heidelberg

Dies ist der ungekürzte, ungeschminkte Text, der dem Essay von Heide zugrunde liegt, das die YACHT in Heft 5 /2014 veröffentlichte: Es ist ein Resümee der ersten zwei Jahre seit unserem Start mit der neuen FREYDIS in Leer/Ostfriesland im Juli 2012.

Die gekürzte – für deren Leser der YACHT leicht „geglättete“ – Fassung erschien in der Yacht (5/2014) unter dem Titel:

„Einst Abenteurer, heute Touristen“

Am Strand der Pinieninsel, Neukaledonien

Das Bild vom Segler hat sich gewandelt:

Wenn wir früher irgendwo einliefen, kamen oft wildfremde Menschen ans Boot, fragten, ob wir ihre Waschmaschine benutzen wollten, boten uns an bei ihnen zu duschen, luden uns zum Essen ein, zeigten uns ihre Farm, ihre Insel, ihr Land. Das ist heute nicht mehr üblich.

Das Ansehen normaler Fahrtensegler hat in dem Maße abgenommen, in dem die Welt geschrumpft ist. Die letzten Winkel sind entdeckt, die Meere leergefischt, die Strände verschmutzt und die Küsten infolge des Klimawandels von Katastrophen heimgesucht. Wer kann da noch Geschichten hören von schöner heiler Welt des Segelns, von Freiheit und Wildnis á la Jack London? Freude macht meist nur noch Konsum, Luxus, gehobene Lebensart. Wenn schon Weltumsegeln, dann bitte mit den Annehmlichkeiten, die man zuhause auch hat.

Alles muss elektrisch, elektronisch, hydraulisch funktionieren; aber dass man auf See auf sich selbst gestellt ist, wird dabei vergessen. Generator muss her, Waschmaschine, Spülmaschine, Kühlschrank, Mikrowelle, Klimaanlage, Wasseraufbereiter, Fernseher… vom elektronischen Kartenplotter und dem ganzen Navi-Klimbim will ich gar nicht reden. Dabei kann man davon ausgehen, dass alles irgendwann ausfällt – und das meist noch im falschesten Moment. Dann wird auf alles geschimpft, nur nicht an die eigene Nase gefasst. Wenn aber all die schönen Dinge wegfielen, wäre das Meer wieder leer.

Dabei lernt man doch gerade beim Segeln mit wenig auszukommen – lernt wie wenig man im Grunde zum Leben braucht. Aber heute hat man das Gefühl: Je mehr desto besser.

Kommerzialisierung des Segelsports

Wie gesagt, heute sind Segler keine bunten Vögel mehr, denen man spontan die Freundschaft anbietet und für deren Geschichten man sich begeistert. Heute sind Segler Touristen, eine besondere Art von Touristen, das schon, aber eben Touristen. Und so werden sie auch behandelt.

Aus diesem Grunde ist der Segelsport – und damit meine ich auch das Fahrtensegeln – viel stärker kommerzialisiert und reglementiert als früher: Ankerplätze sind meist eingeschränkt, abgesteckt, oft überfüllt oder mit – natürlich kostenpflichtigen – Murings zugepflastert. Fast überall gibt es Marinas: wenige sind wie Zeltplätze, eher spartanisch ausgestattet, viele – auch in Karibik und Französisch Polynesien – mit Pool, Service, Gastronomie und allen Annehmlichkeiten eines gehobenen Hotelbetriebs.

Weltumsegelungen werden heute mundgerecht von Experten geplant und geebnet, und manchmal auf silbernem Tablett serviert: Gruppen von Luxusyachten etwa. Immer wieder begegneten wir auf dieser Reise ((2013) Oysters in allen Größen: Wohlorganisiert schipperten sie auf ihrer World-Rally durch Karibik und Südsee von Marina zu Marina, an jedem neuen Ziel umsorgt und umworben und von den Veranstaltern mit Preisen geehrt. Das fördert Gruppendünkel und Klassenbewußtsein, Abgrenzung und Ausgrenzung unter Seglern.

Überfälle, Abzocke

Geld spielt also auch beim Segeln eine immer größere Rolle. Manchmal hat man als Segler sogar das Gefühl, man ist unter die Räuber gefallen: Man wird gnadenlos abgezockt und sogar betrogen. Die Karibik, neuerdings sogar die St. Blas Inseln, sind abschreckende Beispiele. Auf den Galapagos geht es nicht viel anders zu.

Überfälle auf Yachten vor St. Margarita veranlassen viele Segler auch der venezolanischen Festlandsküste fern zu bleiben. Auf unserem Ankerplatz, wo wir vor acht Jahren noch Hunderte von Yachten antrafen, lagen jetzt nur noch zwei oder drei; auf Porvenir – Einklarierungsinsel der St. Blas-Inseln – wurden wir regelrecht zur Ader gelassen; und selbst das zur Weltstadt gemauserte Panama (beeindruckende Wolkenkratzer und Shopping-Malls), blieb eine Räuberhöhle: Raubüberfälle auf Yachten dort sind das eine, Abhängigkeit von korrupten Agenten der Kanal-Behörde das andere. Von der Anmeldung bis zur Passage dauerte es wieder einmal ca. drei Wochen – verbunden mit hohem bürokratischem Aufwand und noch höheren Gebühren, die von Jahr zu Jahr – wir fuhren das dritte Mal durch den Panamakanal, nach 1982 und 2004 – kräftig steigen. Mit den unvermeidlichen Liegezeiten in den Marinas können das schnell mal 2000 € werden. Aber nach Ozeanien (in die Südsee) gäbe es sonst nur den Umweg über Kap Hoorn oder die Nordwestpassage.

Und die Galapagos? Als Yachtie kann man sich glücklich schätzen, dass man drei der Inseln überhaupt anlaufen darf; denn es gab Zeiten, da waren Yachten strikt ausgeschlossen, es sei denn man nahm einen teuer bezahlten einheimischen Führer an Bord.

Damals, vor 30 Jahren, durften wir nach Punta Ayora auf der Hauptinsel St. Cruz. Diesmal mussten wir in San Christobal einklarieren. Für die Bürokratie – sie dauerte zwei Tage, brachte uns insgesamt 14 Beamte der verschiedensten Behörden an Bord und kostete uns eine ganze Stange Geld, rund 1.400 Dollar – entschädigte uns das brodelnde Tierleben und die besondere Schönheit der einmaligen Natur dieser Inseln. Sie begeisterte uns wie bei unserem ersten Besuch vor 30 Jahren. Allerdings droht auf den drei stark bewohnten Inseln mit inzwischen über 30.000 Einwohnern den Tieren und der ursprünglichen Landschaft in absehbarer Zeit das Aus: Der ungebremste Zuzug von Festland-Ekuadorianern hält unvermindert an, und es wird wie verrückt gebaut.

Indirekt Schuld daran ist der Tourismus – Menschenmassen aus aller Welt strömen herbei, um Melvilles „islas encantadas“ („verwunschene Inseln“) zu bestaunen. Das ist verständlich, hat aber auf den bewohnten Eilanden eine Art Goldgräberstimmung ausgelöst. Eine rühmliche Ausnahme macht Floreana: Dort hat die deutsche Pioniersfamilie Wittmer schon vor vielen Jahren erreicht, dass weder gebaut noch investiert werden darf. Die Insel ist deshalb so „verwunschen“ geblieben – das heißt geheimnisvoll schön und wild – wie einst.

Tourismus und Bankenkrise

Wir nahmen uns viel Zeit für diese Inseln, ließen uns samt Crew von einer kleinen Agentur eine individuelle Reise mit hervorragendem Führer zusammenstellen (St. Cruz, Floreana, Isabela).

Auf St. Cruz besuchten wir natürlich auch die Angermeyers. 5 Brüder der Familie waren 1933 die ersten Siedler auf der Insel und haben sich unter unvorstellbar harten Bedingungen eine Existenz aufgebaut. Karl und seine Frau Marga, sowie Gus, hatten wir noch persönlich kennengelernt. In unserem Haus in Heidelberg hängt das Bild an der Wand, das Karl damals für uns von der Insel gemalt hat – in Ermanglung von Pinseln mit den Fingern. Die Skurrilitäten-Höhle am Ufer, in der wir Gus oft antrafen, ist nun Teil eines Restaurants, das sein Sohn betreibt. Abgesehen davon gibt es im Ort noch viele weitere Restaurants, Pensionen, Hotels und Boutiquen. Von der Einsamkeit des Pionierlebens keine Spur mehr. Auch die schwarzen Leguane, die sich auf dem Dach von Karls Haus sonnten und die Wände herunter kletterten, wenn er sie mit Reis fütterte, sind verschwunden.

In den Touristen-Hochburgen Französisch Polynesiens dagegen war es schon immer etwas teurer die Ferien zu verbringen. Dennoch strömten die Touristen. Nun aber hat die Globalisierung diese Inseln auch auf andere Weise ereilt: Infolge der Wirtschaftskrise sind nicht nur Touristen ausgeblieben (vor allem amerikanische), auch Perlen werden weit weniger verkauft. Hotels und Resorts auf Tahiti, Moorea und Bora Bora stehen leer und verfallen, und der Rückgang der Perlindustrie führte zur Schließung vieler Perlfarmen. Besonders fatal wirkt sich das auf den kleinen Inseln aus, auf denen es sonst keine Arbeit gibt.

Jedenfalls waren wir sehr erstaunt, dass man auch im allerletzten Atoll noch die Auswirkungen der Wirtschaftskrise zu spüren bekommt. Menschen haben kein Einkommen mehr, verlassen ihre Insel oder werden wieder zu Selbstversorgern. Die Touristenströme reagieren schnell; sie werden umgelenkt auf preiswertere Ziele.

Für uns ist Französisch Polynesien im Gegensatz zu Atlantik und Karibik noch immer grandios. Die lässige Lebensart hat etwas Beruhigendes und Versöhnliches. Das „Menschliche“ wiegt dort viel stärker. Unsere Erinnerungen sind deshalb auch überwiegend personengebunden, und die Natur ist eine zauberhafte Kulisse: unübertroffen für uns Fatu Hiva – fast zu schön um wahr zu sein…

In manchen Besucherköpfen spukt jedoch auch heute noch das „Südsee-Klischee“ der Pioniere. Aber die Diskrepanz zwischen Erwartung und Realität klafft heute mehr denn je auseinander. Tagelang nur einsame Inseln, umgeben von Gewässern voller Haie, übersät von Insektenstichen (Nonos, Moskitos), schweißüberströmt in feucht-heißem Klima, ohne Aussicht auf eine griechische, italienische oder spanische Kneipe – ja, vielleicht ohne eine einzige Zigarette – für manche ein Alptraum.

Auch für uns hat sich vieles verändert

Auch für uns haben sich viele Dinge auf dieser Reise geändert: Wenn wir zum Beispiel nach den alten Freunden fragten, nach den Menschen, die wir damals auf unseren Wegen durch die Inselwelt kennen gelernt hatten, so hieß es oft: „They passed away“ („Sie sind verstorben“).

Uralte Kulturen hatten sich in wenigen Jahren radikal verändert – etwa auf Palmerston/Cook Inseln oder auf Tanna/Vanuatu. Sie haben sich der modernen Welt angepasst und den Bedürfnissen der Besucher. Statt Baströckchen und Nambas wird auf Tanna jetzt Kleidung getragen („früher hatte wir keine Kleider, deshalb der Bast – nun bekommen wir sie aus China.“) Und statt Sushi oder Lap Lap aus Fisch und Kokosnuss, gibts nun Mehl und Zucker als Importware: Stanley in Port Resolution/Tanna an Bord der Freydis: „Ich will Kuchenbacken lernen“. Tauschhandel mit Yachten ist so gut wie out, und Gastfreundschaft nicht mehr so ausgeprägt. Man baut Resorts, will etwas verdienen, ein Auto kaufen. Handys haben schon die meisten. Nur Steckdosen sind noch Mangelware in den Hütten. Deshalb kommen die Fischer in ihren Einbäumen zu uns zum Aufladen der Batterien – zum Glück noch in Einbäumen! Fernseher flimmern bisher nur in der Hauptstadt.

Die Religion, das Spirituelle, spielt nicht mehr die große Rolle. Hier hat die Zeit der Globalisierung und Aufklärung geradezu eine Revolution ausgelöst. „John Frum, ja ja, ich weiß, ich habe in Neukaledonien gearbeitet.“ Man lächelt über den Glauben der Väter, den diese bei unserem letzten Besuch vor 14 Jahren noch mit solcher Inbrunst vorgetragen und verteidigt haben.

Manchmal kamen wir uns vor wie aus einer anderen Zeit, kannten uns nicht mehr aus, trauerten Vergangenem nach.

Treten wir in die Fußstapfen der vielen Yachties, die über Jahrzehnte segeln, und feststellen: Es ist alles stetig schlechter geworden? Ja und nein. Das ist nicht anders als bei den Tausenden von Alpinisten, die heutzutage den Mt. Everest besteigen.

Zugegeben – wenn man einmal absieht von der verbesserten Navigationstechnik und vom Schutz und Komfort in den neuen Marinas – so haben sich die Bedingungen für Segler meist verschlechtert. Man muss über vieles hinwegsehen, vieles meiden, vielem ausweichen. Das ist auch für uns desillusionierend und beeinträchtigt den Spaß an vielen Dingen. Aus diesem Grund sind wir wählerischer geworden, bevorzugen Ziele, die weniger frequentiert sind, und dort finden wir meist auch Menschen mit gleichen Ansprüchen und gleichen Anliegen – Gleichgesinnte: Das heiß nicht, dass wir uns nicht mehr fremden Menschen, fremden Kulturen und fremdem Gedankengut öffnen. Denn das inspiriert uns ja gerade.

Abgesehen von neuen Segelfreunden wie Rosi und Peter und Anne und Markus von den deutschen Yachten Rainbow und Flow, von Laura und Jan von der dänischen Yacht Anaconda, die uns auf der Reise begegnet und mit denen wir uns immer wieder trafen, gab es auf Neukaledonien ein Wiedersehen mit unseren alten Segelfreunden Hannelore und Christian Eckhoff von der Donella und dem dort ansässigen Radiologen und Segler Marc Joel von der Savannah. Durch ihn lernten wir die Teilnehmer der Expedition kennen, die die Wracks der La Perouse-Schiffe auf Vanikoro geortet und Reste der Ausrüstung geborgen hatten (s. „Inseln jenseits der Zeit“). Der Kapitän dieser Mannschaft, der schon unzählige Wracks rund um die Erde lokalisiert und wahre Schätze gehoben hat, führte uns persönlich durchs Museum. Besonderes Glanzstück: Der goldverzierte Knauf des La Pérouse-Degens – aber in meiner Begeisterung schweife ich schon wieder ab…

Also meine, unsere, Begeisterung fürs Segeln und das Drum und Dran ist ungebrochen… Und auch im nächsten Leben werden wir wahrscheinlich, wenn es dort nichts Besseres gibt – Segeln.

Noch ein Wort zum Wetter

Es war mehr als untypisch. Von der Ems bis Lissabon hatten wir Wind von vorn, weil das Islandtief monatelang nicht an seiner üblichen Stelle lag, sondern 1000 Meilen südlicher über Irland. Und die Atlantiküberquerung von Lissabon über die Kapverden in die Karibik brachte statt des erwarteten Nordostpassats überwiegend umlaufende Winde und Flauten: Zunächst hielt der tropische Sturm „Nadine “ von Madeira aus auf die portugiesische Küste zu und dann bestimmte wochenlang der riesige Hurrikan „Sandy“, der New York heimsuchte, das gesamte Wettergeschehen des Nordatlantiks.

Die Strecke von den Galapagos zu den Marquesas (über 3000 Seemeilen) wurde schon von vielen Seglern als die schönste Passatstrecke auf den Weltmeeren beschrieben: Unter ausgebaumter Genua bzw. Doppelfock waren sie bei stetigen mittleren Passatwinden, tags unter heißer Sonne und blauem Himmel mit weißen Passatwölkchen, nachts unterm Sternenzelt, von den Wellen gewiegt worden. Gesegelt waren sie mit Hilfe von Selbststeueranlagen und hatten höchstens ein- bis zweimal pro Woche die Segelstellung leicht korrigiert.

Nichts von alle dem erfuhren wir hier, als 1999 El Nino uns das Leben schwer machte: ständig wechselnder Wind zwischen 4 und 8 Bft., verbunden mit Winddrehungen von 30 bis 40 Grad. Meist liefen wir unter gerefften Segeln und waren Tag und Nacht auf dem Sprung zu Manövern.

Diesmal (2013) hatten wir zu Beginn kaum Wind, oft sogar totale Flaute. Immer wieder musste die Maschine herhalten. Dann nistete sich ein Tiefdruckgebiet in der ITC (Kalmenzone) ein und brachte uns eine Woche böige Walzen und Regen, Regen und Walzen. Wir liefen 7 bis 9 Knoten über Grund – ein wilder Ritt mit drei Reffs im Großsegel bei dem wir zeitweise per Hand steuerten und unser Glück weiter südlich suchten. Nach zwei Wochen stellte sich endlich, wenn auch unbeständig, Passat aus östlicher Richtung ein.

Resümee in Bundaberg: Auf den 17.000 Meilen seit unserem Aufbruch in Deutschland hatten wir nicht zwei Tage gleichmäßigen Wind!

Heide Wilts, im Dezember 2013

Links:

Nachtrag:

2015.10.28, 19:01 :: Holger Jacobsen hat uns einen Kommentar hinterlassen, den wir gerne weitergeben möchten:

Von: Holger Jacobsen
Betreff: Mit der Freydis von Pol zu Pol – Kontakt: Artikel „Einst Abenteurer, heute Touristen“
Datum: 27. Oktober 2015 13:52:08 MEZ
An: wilts@freydis.de

Betreff:
Artikel „Einst Abenteurer, heute Touristen“

Nachricht:
Hallo,

Hier ist der Holger von der DHARMA BUM III. Ich wollte Euch nur sagen,
dass ich mit dem Artikel „Einst Abenteurer, heute Touristen“ – trotz
der häufigen Gegenstimmen – außerordentlich übereinstimme. Habe ihn
leider erst jetzt gelesen. Ich bin 1981 nach Shanghai, habe dann ab
1982 in Taiwan gelebt und war 1987 das erste Mal im eigentlichen
Südpazifik, 1994 & 1995 das zweite Mal und 2007 bis 2009 das dritte
Mal. Ich glaube den Unterschied kann nur der wirklich beurteilen, der
ihn selbst miterlebt hat.

Einige sehen das Yachtieleben eben als Lebensstil, während andere
mehr segelnde Touristen sind. Ich würde mich sehr freuen, wenn wir
uns irgendwo irgendwann einmal persönlich treffen würden!

PS: Irgendwas stimmt nicht mit der Kommentarfunktion

Viele liebe Grüße von Holger Jacobsen (江浩哲), Yeh Liping &
Aurora Ulani Jacobsen

Picasa

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Heides eBook-Reihe steht

Samstag, 24.10.2015, Heidelberg

Nun auch als eBooks

Leseprobe (»VORSTOSS IN DIE ANTARKTIS«, PDF)

Die acht erzählenden Bücher von Heide Wilts,…

…die mit Ausnahme ihres letzten Buches alle zwischen 1984 und 2003 im Verlag Delius Klasing Bielefeld erschienen sind, können nun auch als eBooks heruntergeladen werden (s.u.).

In ihre digitale Form übertragen wurden die Bücher von Erich und mir, unterstützt von Daniel Schumacher, Informatiker aus Köln. Dabei nahm ich die Gelegenheit wahr, die Bücher zu aktualisieren und einige davon sogar um weitere Kapitel zu ergänzen.

Aus diesem Anlass will ich die Bücher der Reihe nach erneut vorstellen: zunächst „Weit in Norden liegt Kap Hoorn“, das 1984 und 1987 im Verlag Delius Klasing erschien: „Ein packendes, poetisches Buch über eine waghalsige Reise und die Leistung einer Mannschaft, die auch menschlich Bestand hatte“, heißt es im Klappentext.

Das Buch beschreibt unsere erste Reise zusammen mit Freunden auf der Freydis 1981/82 in die Antarktis. Was davon blieb, war zunächst das Logbuch, mein Tagebuch, einige wenige Bilder – nur Erich und Mitsegler Folkmar hatten Fotoapparate dabei – und ein 60-Minuten-Film, den ich mit meiner 8mm-Kamera gedreht hatte. Diesen Film zeigten wir auf den Vorträgen, zu denen wir eingeladen wurden – mit überwältigender Reaktion. Für mich ein Ansporn aus Logbuch und Tagebuch-Aufzeichnungen ein Buch zu machen.

Aber was war denn so besonders an dieser Reise?

An der Kreuz vor der brasilianischen Küste

Unter Blister passieren wir ein Wrack auf den Ilhas Selvagens (Foto vom Dingi aus)

Nun, zu dieser Zeit waren wir mit unserer Freydis eine der ersten Yachten, die ums Kap Hoorn segelten, und wir waren die erste deutsche Crew, die in die einsame Gletscherwelt der Antarktis vorstieß – damals noch Terra Incognita. Wir waren jung – Erich und ich mit knapp 40 die ältesten, unsere Mitsegler Anfang bis Mitte 20 – , wir strotzten vor Unternehmungslust und Begeisterung für diese Reise. Was gut war, denn zu dieser Zeit gab es noch kein GPS, keine elektronischen Karten, keine Thermowäsche, Vlies-Bekleidung oder Rollgenua; es gab keinen Laptop, kein Internet, kein Wikipedia, keine Emails und auch keinen Kreuzfahrt-Tourismus. Wir waren allein auf uns gestellt, navigierten wie zu Cooks Zeiten nur mit Kompass und Sextant und kamen uns vor wie echte Entdecker.

In Stanley auf den Falklands kurz vor Kriegsausbruch: Aufmarsch der Streitkräfte

Mit dem „Glück der Ahnungslosen“ nahmen wir alle Hürden, die sich uns stellten. Wir erfüllten uns unsere kühnsten Träume selbst, und wir waren stolz darauf. Und die Freundschaften, die auf dieser Reise entstanden, hielten und halten nun schon fast 40 Jahre. Mit einigen der Freunde segeln wir immer noch zusammen über die Meere.

Wie macht man ein Buch?

Das Problem: Ich hatte keine Ahnung, wie man ein Buch macht: Ich war Ärztin, keine Schriftstellerin. Den Text schrieb ich mit der Hand und tippte ihn dann mühsam in unsere kleine Reiseschreibmaschine. Voller Erwartung schickte ich mein „Manuskript“ an den Verlag: Absage! Ein Buch in Form eines Tagebuchs sei nicht akzeptabel; ich sollte das Manuskript umarbeiten, dann würden sie es erneut prüfen. Ich war am Boden zerstört: Alle Arbeit umsonst! Denn wann sollte ich es umschreiben – ich war voll berufstätig und mein Feierabend fing oft erst um 19:00 Uhr an.

Doch als ich ein wenig Distanz zu dem Problem hatte, kramte ich den Kasus Knacktus wieder hervor, holte mir Rat von Experten und begann es umzuschreiben. Es wurde ein mühsamer Lernprozess. Um Textstellen neu zu ordnen, zerschnitt ich das Manuskript. Oft saß ich mit der Schere in der Hand im Wohnzimmer auf dem Boden inmitten eines Fleckerlteppichs aus Papierschnipseln.

Als das Buch 1984 erschienen war, hielten wir Vorträge in Linz, Frankfurt und Berlin. Es waren unsere ersten größeren Auftritte. Das Buch wurde mir damals förmlich aus den Händen gerissen – ein tolles Gefühl, das mich dazu noch motivierte, weiterzuschreiben.

Das wird gefeiert: Landfall im Kratersee von Deception, Antarktis

Bordkatze Robe liebt Languste

Digitale Neuauflage

Die erzählenden Bücher von Heide Wilts sind nun alle als eBooks erhältlich, und zwar in zwei Versionen:

  1. mit ca. 20 bis 50 Fotos für 9,99 €
  2. als Edition+ mit 250 bis 850 ganzseitigen Farbfotos für 14,99 €

Ihr könnt beide Version bei den Online-Portalen dieser überregional arbeitenden Buchhändler über das Internet erwerben.

Die letze Fahrt der Freydis…

…gibt es übrigens seit Ende 2013 bereits als eBook. Ausserdem hatten wir am ersten Januar 2015 schon einmal über die neue Reihe berichtet und die Titel vorgestellt.

Papierbücher-Liebhaber…

…können wie bisher alle Bücher und Bildbände bei uns erhalten. Auf unserem Blog ist unter „BÜCHER“ die komplette Aufstellung.

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