Grenada, den 3. Nov 2012
Über den Atlantik sind wir schon viele Male gesegelt. Diese letzte Überquerung fiel etwas aus dem Rahmen:
Wirbelsturm
Schon in Lissabon braute sich der erste tropische Wirbelsturm bei den Azoren zusammen. Wir waren zwar nicht direkt betroffen – im Zweifel wären wir an die afrikanische Küste ausgewichen – aber diese Systeme beeinflussen ja das Wetter über große Teilbereiche des Atlantiks. Wir hatten Gegenwind, wir hatten Flauten – nichts ist mehr so, wie es früher war.
Wir gerieten in den Einfluß eines zweiten Wirbelsturms auf dem Wege zu den Kap Verden und dann etwas später auf der Atlantiküberquerung bildeten sich mehrere Ansätze von Wirbelstürmen – wir waren ständig auf der Hut.
Zum Schluß kam „Sandy“, von dessen Zerstörungen Ihr ja alle die Bilder im TV und Internet gesehen habt. Geholfen hat uns beim Wetter (wie schon seit Jahrzehnten) unser Freund Günther Hirschberg aus dem Taunus. Wir haben alle paar Tage über Iridium seine Expertisen erhalten und waren so bestens präpariert. An dieser Stelle nochmals herzlichen Dank, lieber Günther – und wir freuen uns, wenn Du im kommenden Jahr in den Marquesas und Tuamotus Deine Wetterberichte an Bord der Freydis über Pastor erstellst.
Darminfektion des Skippers
Am Tag vor dem Start in Mindelo habe ich, Erich, mir eine schlimme Darminfektion zugezogen und währenddessen meine Blutdrucktabletten nicht eingenommen. Also die ersten acht Tage habe ich viel Zeit auf dem stillen Örtchen verbracht und ein paar Tage später folgte der brutalen Abmagerungskur eine Blutdruckkrise mit Schwindel. Ich konnte in Mustique gar nicht mehr richtig gehen und bin immer noch nicht ganz wiederhergestellt. Gestern hat mir Heide hochdosiert Kortison verabreicht, heute geht´s mir deutlich besser, sonst könnte ich diese Zeilen gar nicht schreiben. Wenn in drei Tagen die neue Crew kommt, dürfte ich wieder fit sein.
Erfahrungen mit der Neuen Freydis
Die neue Freydis ist wirklich ein schnelles Schiff, auch auf Vormwindkursen, auf die wir ja auf den ersten Törns vergeblich gewartet hatten. Nach 14 Tagen lag das Kernstück der Atlantiküberquerung – von Mindelo/Kap Verden nach Barbados – hinter uns.
Die Flautentage in der Mitte sind wir unter Maschine bei 1200 Umdrehungen gelaufen, wir wollten Diesel sparen und hatten es ja auch nicht so eilig auf der spiegelglatten See. Kräftiger Passat forderte uns auf der ersten Hälfte. Allen hat es ausgesprochen Spass gemacht, unter ausgebauter Genua und Spi (bis 250 m2) zu düsen. Auch die weniger erfahrenen Steuerleute sind gut zurecht gekommen, denn die Neue liegt auch vor dem Wind ausgezeichnet auf dem Ruder, sogar dann, wenn das Schwert oben ist. Die Tage, die wir gewonnen hatten, konnten wir für einen Abstecher in die Grenadinen nach Mustique und Palm Island nutzen.
Sigis Traum von einem Drink und Essen in der Basil-Bar ging in Erfüllung (wenn auch leider ohne die Royals).
Exkurs 1…
…für die Experten unter Euch: Gut, dass wir bei der Ausrüstung der Freydis auf überlangen Spibäumen bestanden haben (sie sind 8 mtr lang, Durchmesser 120 mm). Richtige Prügel, aber dank des hervorragenden Spinakergeschirrs von SELDEN zu zweit gut zu handhaben und dank eines Tips, der neulich per Mail von meinem Altskipper Detlef kam (er war vor 50 Jahren mein erster Lehrer auf der ORTAC): Wir fahren den bzw die Spibäume an separatem Achterholer, die Schot läuft extra über einen Block, der an der Spitze des Spibaums angebracht ist.
Die einzigen Segel, die wir jetzt noch nicht ausprobiert haben, sind das Trysegel und die Doppelgenua. Für die Doppelgenua bekommen wir hoffentlich im Pazifik gleichmäßigen Passat und auf den Einsatz des Trysegels warten wir gerne noch eine Weile.
Die elektronische Selbststeuerung hatten wir übrigens auf der ganzen Reise nicht eingeschaltet, das Boot wurde von Hand gesteuert.
Exkurs 2
Unser Traum vom unbegrenzten Bordstrom aus den beiden SUPERWIND – Generatoren und den beiden AMPAIR – Unterwassergeneratoren wäre beinahe in Erfüllung gegangen.
Die SUPERWIND – Generatoren erfüllten ihre Vorgaben, waren leise und effizient.
Die AMPAIR – Unterwassergeneratoren brachten ebenfalls eine gute Leistung. Die ersten 6 Tage hatten wir stets volle Batterien. Aber die Vibrationsgeräusche der U-Wassergeneratoren (ein lautes Kreischen ab 5 Knoten Fahrt durchs Wasser) waren auf die Dauer nicht zu ertragen, weder im Cockpit noch im Achterschiff. Also haben wir sie abmontiert und mußten über die Limas der Hauptmaschine jeden Tag ein bis zwei Stunden nachladen. Sehr ärgerlich!! Und dem Hersteller ist das Problem angeblich unbekannt…
Die Crew
Wir waren zu acht. Die Crew war segelbegeistert, einsatzfreudig und hilfsbereit. Zu feiern gab es unterwegs genug, den 55. Geburtstag von Sigi, den 50. von Mario und das „Bergfest“ war buchstäblich der Höhepunkt. Zusammen mit der Rainbow wurde gefeiert, gebadet, getanzt und gelacht. Zum Schluß der Reise hiess es: Ende gut – alles gut. Bis auf den kränkelnden Skipper waren alle bestens drauf und wir genossen die abschliessenden Tage auf den Grenadinen in herrlichen Buchten.
Im Doppel über den Teich
Wie Ihr wisst, sind wir in Deutschland zeitgleich mit der RAINBOW (eine nagelneue HR 48) unserer Freunde Rosi und Peter Neumayer aus dem Badischen gestartet. Die RAINBOW von Cuxhaven, die FREYDIS von Leer aus. Rosi und Peter segeln ihr komfortables und best ausgerüstetes Boot zu zweit. Wir treffen uns in fast jedem Hafen und auf dem Meer segeln wir oft in Sichtweite. Über den Atlantik waren wir meist dicht zusammen. Es ist sehr vergnüglich und wir geniessen dieses freundschaftliche und unkomplizierte Beisammensein sehr. Wie wir uns kennengelernt haben und wie es zum Entschluss kam, die 2 Jahre nach Australien zu Mackern, d.h. zusammen zu segeln, ist eine Geschichte für sich. So viel sei verraten: Sie begann mit dem Verlust der ersten RAINBOW im Mittelmeer und dem Verlust der zweiten FREYDIS in Fukushima.
Herzliche Grüsse,
Heide & Erich
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