Hallo Freunde,
Die segellose Zeit hat längst begonnen und erst in sieben Monaten sind wir wieder auf der Freydis. Zwar laufen längst die Vorbereitungen für unser Vorhaben im nächsten Jahr, aber das sind Arbeiten am Schreibtisch und Computer, gewürzt mit gelegentlichen Crewtreffen.
Saure Gurkenzeit also und eine Gelegenheit, auch einmal auf Vergangenes zurückzublicken:
„Späte Einsichten“ oder „Erich wird’s schon richten…“
Vor genau zwanzig Jahren, in 1996 segelten wir zu siebt von Neuseeland aus 10 Wochen ins Rossmeer. Eine der anspruchsvollsten und auch riskantesten Reisen, die wir unternommen haben. Zum Vergleich: Die Drake Passage, die Kap Hoorn vom ersten geschützten Ankerplatz am Rande der Antarktischen Halbinsel trennt, ist 480 Seemeilen breit, zu schaffen in drei Tagen, wenn man den richtigen Wetterbericht abpasst.
Von Bluff im Süden Neuseelands bis nach Mc Murdo im Rossmeer dagegen sind es 1.860 Seemeilen Luftlinie durch den südlichen Ozean – in Anbetracht der zu erwartenden Stürme im Südpolarmeer eine furchteinflössende Distanz. Und am Ziel erwartete uns am Rande des Schelfeis kein geschützter Hafen, nur Eis.
Eigentlich ist das Rossmeer nichts für eine Segelyacht, auch nicht, wenn diese solide gebaut und aus Stahl ist. Deswegen waren wir ganz froh, als uns am Eingang des Rossmeeres auf 68° Süd der Zugang durch eine geschlossene Packeisdecke verwehrt wurde. (Zu der Zeit war das Trinkwasser in unseren Tanks bereits gefroren). Wir wendeten und liefen wieder zurück nach Norden Richtung Subantarktische Inseln von Neuseeland. Kommentar über Funk von Gabi, Heiners Frau, die zuhause wartete: „Lebende Männer sind uns lieber als tote Helden.“ Recht hatte sie!
Am Rande des Rossmeers liegt auf 67° 23’S und 179° 55’W die kleine, nur 370 Meter lange Insel Scott, Überrest eines Vulkans. Unsere beiden Jüngsten an Bord, Uwe und Wolfgang, wollten unbedingt mit dem Dingi anlanden und sie besteigen. Skipper und sin Fru hatten Bedenken wegen der hohen Brecher, und als am nächsten Tag keine Wetterbesserung eintrat, strichen sie das Vorhaben. Unsere beiden Mitsegler konnten das damals partout nicht einsehen.
Umso mehr waren wir angenehm überrascht, als wir am 15.12.2010, also 14 !! Jahre später einen Brief von Uwe erhielten, den wir hier im vollen Wortlaut und ohne Kommentar wiedergeben:
Uwe Röttgering, 15. Dezember 2010
an: Heide & Erich Wilts
Die Reise ins Rossmeer 1996
Hallo Erich,
ich habe vor ein paar Tagen noch einmal ein paar Bilder unserer Antarktisreise 1996 angeschaut. Man neigt ja immer zu gewissen Verklärungen, aber auch bei nüchterner Betrachtung, war das wohl meine schönste Segelreise. Klar, menschlich lief nicht alles glatt, aber daran hatte meine Großmäuligkeit auch ihren Anteil.
Natürlich war meine eigene Weltumsegelung auch ein tolles Erlebnis, das aber unter zwei Gesichtspunkten im Vergleich zu der Reise mit Euch gelitten hat:
zum einen war das Südmeer samt Inseln und Tierleben nicht mehr neu für mich (ich werde nie meinen ersten brütenden Albatros auf den Snares vergessen).
Zum anderen hat meine eigene Reise unter einem Druck gestanden, den es auf der Freydis nicht gab. Meine ständige Sorge um mein Boot, hat meine Nerven echt angefressen.
Ich war ja auch schön blauäugig auf dem Freydis Törn. Unser Herumkurven im Eis am Eingang zum Rossmeer fand ich spannend. Erst heute ist mir klar, dass wir in einer lebensgefährlichen Situation waren.
Oder das Anlanden an den Inseln. Dass Du mich nicht auf Scott Island gelassen hast, konnte ich damals nicht so recht verstehen. Heute kann ich sagen: danke, dass Du mich vor mir selber geschützt hast.
Kurz: meine Unerfahrenheit, meine Neugierde und ein „Erich wird’s schon richten“ Gefühl haben dieser Reise eine Qualität gegeben, die meine eigene Reise nicht hatte. Vor allem das „Uwe wird’s schon richten“ Gefühl wollte sich auf meinem eigenen Törn nie so recht einstellen…
Schöne Grüße aus Berlin
Uwe
Die Beinahe-Katastrophe
Trotzdem hätte es beinahe noch ein schreckliches Unglück gegeben:
„Haltet euch weg vom Eisberg“ – das war kein gut gemeinter Rat des Skippers, sondern ein Befehl an die Crew im Schlauchboot. Denn Eisberge brechen unvermutet ohne Ankündigung auseinander. Schon 10 Jahre zuvor hatten wir in Grönland schreckliche Erfahrungen gemacht.
Das konnte aber zwei unserer Mitsegler, Wolfgang und Heiner, nicht davon abhalten, mit dem Dingi dicht an den Tafeleisberg zu kurven, um sich einen Riss im Eis aus der Nähe zu betrachten. Keine drei Minuten später, die beiden waren gerade wieder aus der Gefahrenzone, passierte das Unerwartete: Ein Riesenstück brach ab, verfehlte sie um Haaresbreite. Schreckensbleich stiegen die beiden an Bord. Noch einmal Glück gehabt!
Tierparadiese auf den Subantarktischen Inseln
Wir sind wahrscheinlich die einzige Yacht, die jemals alle subantarktischen Inseln von Australien und Neuseeland besucht hat. Dass wir die erforderlichen Permits bekamen, verdanken wir der Fürsprache einflussreicher Freunde in den Polarinstituten von Australien und NZ.
So wurde der Besuch dieser einzigartigen Inseln der eigentliche Höhepunkt unserer Reise zum Rossmeer 1996.
Mehr zum Thema findet Ihr in Heides Buch „Segeln ans Ende der Welt“ und in unserem Text-Bildband „Segelabenteuer im Südpazifik – Mit Freydis rund Neuseeland und ins Rossmeer„.
Gedruckte Bücher zu beziehen über uns – E-Books über Tolino, Amazon und Apple in zwei Ausführungen:
Normalbebildert (Basic) und als Edition+ mit über 450 Farbfotos.
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Herzliche Grüße
Heide+Erich
Übersicht über Heides Bücher – Band 1-9:
Hallo Ihr 2.
Danke für diesen Bericht.
Es ist für mich immer ein Erlebnis so etwas zu lesen
Bin leider im Alter etwas fortgeschritten.
(80) Somit nicht mehr Seetauglich für so eine Reise.
Meine Traeume sind im Sommer auf einer Talsperre.
Ein Segelkajütboot 6 Meter lang mit kleinem Raum
zum Stehen, Kochen und Schlafen.
Ich freue mich für Euch mit und wünsche alles Gute.
Liebe Heide, Lieber Erich,
Ich habe den Beitrag „Erich wird’s schon richten…“ mehrmals gelesen.
Ich bin zu der Ansicht gekommen, sind wir nicht alle so, dass wir uns immer auf jemanden verlassen! Ich glaube das ist die menschliche Tugend.
Ich weiß aus eigener Erfahrung das man als Skipper eigentlich nie abschaltet, du bist immer dabei. Der Schlaf ist schlechter als bei anderen, jedes Geräusch, jeden ungewohnte Bewegung des Bootes bringt einen zum Grübeln. Was kann das wieder sein.
Besonders die Einsicht von Uwe finde ich vollkommen richtig. Denn ein “ wird schon richten…“, gibt es auf dem eigenen Törn nicht. Als Mitsegler ist man da freier.
… Aber trotz allem bin ich gerne Skipper auf meinen Törns.
Gruß
Georg
obwohl nur Landratten aus Franken freuen wir uns immer sehr über Ihre eindrucksvollen Berichte. Danke und Gruß aus Hof
Inge Otto-Wolf und ein Freydis-Fan