Nagasaki, den 11. Oktober 2014
Hallo Freunde,
Vor einer Woche hatten wir berichtet, dass wir uns auf den hoffentlich letzten Taifun „Phanfone“ dieser Saison vorbereiten.
Doch kaum war die Nacht des Schreckens überstanden – zum Glück ohne Schäden an der Freydis -, da kündigte sich schon der nächste Taifun an – noch weit entfernt in Guam. Auf dem Wege nach Japan entwickelte er sich zum Super-Taifun „Vongfong“. Die Meteorologen sprechen vom stärksten Taifun 2014 weltweit. Nun steht er vor den Toren Nagasakis. Überall laufen fieberhafte Vorbereitungen, einige vorgelagerte Inseln sind schon evakuiert.
Wir können nicht viel mehr tun als beim letzten Mal, allerdings haben wir in mehreren Tauchgängen eine zweite Kette auf dem Grund des Hafens fixiert. Leider kommt der Wind diesmal mehr seitlich – auflandig – und droht die Freydis an die hohe Betonpier zu schmettern. Morgen werden wir deshalb zusätzlich unsere 50 Meter lange Schlepptrosse aktivieren, die originalverpackt in der Vorpiek ruht und verspannen sie quer über den Hafen nach Luv.
Ito-san, Leiter der Marina, hat uns erst einmal vorgewarnt. Vielleicht dürfen wir am Montag gar nicht an Bord bleiben. Alles hängt davon ab, wie der Taifun sich weiterentwickelt: Wird er schwächer? Ändert er im letzten Moment seinen Kurs? Wo zieht das Zentrum durch?
Wie die Seismologen beim letzten Vulkanausbruch so sind auch die Meteorologen bei diesem Taifun zu keiner präzisen Aussage in der Lage.
Wir können nur hoffen und melden uns wieder, wenn das Monster abgezogen ist.
„Warum setzt Ihr euch bloß immer wieder solchen Gefahren aus?“, klingt in vielen Emails an, die wir bekommen, nach dem Motto „ Wer sich in Gefahr begibt, kommt darin um“ und bieten uns alternative Ziele an wie Kreta, die Müritz, das Wattenmeer oder die Karibik.
Ja Warum? Und ausgerechnet wieder Japan? Warum nicht Japan? Hier leben Millionen von Menschen, die sich den Herausforderungen stellen.
Wir segeln in einem der interessantesten und faszinierendsten Reviere der Erde, das allerdings seine Tücken hat. Aber das galt auch schon auf unseren Reisen durch Feuerland und zur antarktischen Halbinsel, ins Beringmeer, nach Grönland, Spitzbergen und ganz besonders auf unserer 7-jährigen Reise durchs Südpolarmeer rund um Antarktika. Wir mögen keine Stürme, schon gar keine Taifune. Aber was kann man gegen Schicksal? Erich Kästner hat es so ausgedrückt: „Wird´s besser? Wird´s schlimmer? fragt man alljährlich. Seien wir ehrlich: Leben ist immer lebensgefährlich.“
Herzliche Grüsse
Heide & Erich