Heide Wilts, für die „Yacht“ Nr. 25/26 vom 2. Dez. 2015
Die „Reise unseres Lebens“?
Das war ganz klar unsere Antarktisumsegelung! Aber sieben Jahre kann man nun einmal nicht in ein paar Zeilen zusammenfassen. Daher versuche ich nur den Gründen auf die Spur zu kommen, warum sie das ist und was sie uns letztlich für unser weiteres Leben an wertvollen Erfahrungen gegeben hat.
(Kurz zur Reise: Sie begann im Oktober 1990 am Kap Hoorn und endete gut 7 Jahre später – im März 1998 – am selben Kap. Während unserer Überwinterung im Kratersee der Vulkaninsel Deception strandeten wir und überlebten sieben Monate in einer Nothütte. Ende Dezember 1991 segelten wir mit der provisorisch reparierten Freydis nach Feuerland zurück, wo wir das Schiff in sechs Monaten mit Unterstützung von Feuerlandindianern überholten und die geplante Antarktisumsegelung von West nach Ost in Angriff nahmen – wobei wir fast alle an ihrem Rande liegenden antarktischen und subantarktischen Archipele anlaufen und auch betreten konnten. Naturgemäß war die Segelsaison dort sehr begrenzt; sobald der Südwinter nahte, mussten wir in wärmere Gefilde ausweichen. Das war für uns eine willkommene Abwechslung, oft verbunden mit dem Besuch tropischer Inseln abseits aller Touristenströme.)
Also, warum „Reise unseres Lebens“?
Vielleicht weil diese Reise in ein Gebiet führte, das für Segler auch heute noch in großen Teilen unberührt und unbekannt ist: insbesondere zu Inseln an der Peripherie der Antarktis, etwa zu den Vulkanen der Südsandwichgruppe, zu den Crozets, Kerguelen und Prince Edwards, nach Macquarie und den subantarktischen Inseln Neuseelands, um nur einige wenige zu nennen. In ihrer Abgeschiedenheit sind sie mit Millionen von Tieren – Albatrossen, Pinguinen, Seelöwen, Robben, Seeelefanten bevölkert, die alle in dem kurzen antarktischen Sommer ihre Jungen aufziehen.
Wir waren noch jung (zu Beginn 48 J) und die Risiken dieser Reise waren für uns eine Herausforderung: aus heutiger Sicht war es d i e Herausforderung unseres Seglerlebens! Seit unserem ersten Besuch der Antarktischen Halbinsel 1980/81 mit unserer Freydis, hatten wir unbewusst oder bewusst auf diese große Reise hingearbeitet. Zuletzt waren wir sogar bereit gewesen dafür unsere Sicherheit zuhause, die wir uns in 30 Berufsjahren aufgebaut hatten, von einem Tag zum anderen aufzugeben.
Dafür durften wir die Welt noch in ihrer Ursprünglichkeit, ihrer grandiosen Schönheit, erleben. Obwohl das „unbekannte Südland“ schon lange entdeckt war, fühlten wir uns oft wie Entdecker. Dass wir dort auch gnadenlose Grausamkeit erfuhren – böse Strandung, tobende Stürme, das Eis, die schneidende Kälte und die Attacken auf unser Leben – haben wir nicht vergessen. Aber wir haben all diese Widrigkeiten bewältigt und darauf sind wir stolz.
Wichtig waren für uns auch die menschlichen Kontakte. Besonders auf dieser Reise um die Antarktis begegneten uns auf wissenschaftlichen Stationen oder auf Forschungsschiffen immer wieder Menschen, die zur Natur eine ganz ähnliche Einstellung hatten wie wir – mit einigen von ihnen verbindet uns noch heute, 25 Jahre danach, eine herzliche Freundschaft.
Ein weiterer, nicht weniger gewichtiger Punkt war der Zusammenhalt in den Crews – auf vielen riskanten Etappen hatten wir Mitsegler und Freunde an Bord – und das gemeinsame Erfolgserlebnis, nachdem wir Hürden überwunden und Ziele erreicht hatten.
Es ist wohl die besondere Mischung an Erlebnissen, Eindrücken und Begegnungen, die diese sieben Jahre lange Reise zur „Reise unseres Lebens“ werden ließ. Die Gefühle und Bilder, mit denen sie sich tief in unser Gedächtnis eingegraben hat, beglücken und begeistern, bereichern und verfolgen uns bis heute. Sie schweißten und schweißen uns als Paar zusammen und beeinflussen unser Denken und Handeln auch im täglichen Leben. Und nicht zuletzt hat diese Reise uns angespornt zu vielen weiteren wunderschönen und abenteuerlichen Segelreisen mit unserer Freydis.
- Über die hier von mir angeführte Reise habe ich vier Bücher und mit Erich zusammen vier Text-Bildbände über Delius Klasing veröffentlicht. Diese können noch alle über uns bezogen werden. Darüber hinaus sind die erzählenden Bücher inzwischen alle als E-Books bei Apple, Amazon und Tolino erhältlich.